City Bound- Erlebnispädagogik in künstlichen Welten

City Bound ist Erlebnispädagogik in der Stadt. Mit dem Unterschied, dass der Lebens- und Überlebensraum hier nicht (oder weniger, auch Städte haben mitunter nutzbare Grünflächen) Mutter Natur ist. Vielmehr ist das Setting hier die knallharte Betonwelt der Großstadt. Daher nennen wir City Bound auch „Erlebnispädagogik in künstlichen Welten“.
Dennoch lassen sich, ausgenommen natürlich Naturerfahrungen und klassische- erlebnispädagogische Methoden viele „erlebnispädagogische Lern- und Erfahrungsziele“ auch in der Großstadt umsetzen.

Auf Klassenfahrten geht es prinzipiell bei „Stadttagen“ darum, diese mit sinnvollen Inhalten anstatt Schnellrestaurant und Klamottendiscounter- „abhängen“ zu füllen. Diese Inhalte müssen allerdings ausreichende Anreize besitzen um mit diesen vermeintlichen „Hot Spots“ mithalten zu können. Eine Stadtrallye mit Fragen nach dem Namen des Bürgermeisters und der Höhe der Kirche dürfte demnach nicht im Sinne der Teilnehmer*innensein. Daher darf der pädagogische Nutzen einer solchen Aktion in Frage gestellt werden.

Erlebnispädagogik in der Stadt

Mit ein wenig Ideenreichtum und Kreativität lassen sich aber auch in der Stadt echte Abenteuer inszenieren!

City Bound Flashmob
Themenfelder City Bound

Unterteilt werden können die Methoden grob in folgende „Lernfelder“

  • Spaß und Spiel in der City (Rallye, Suchspiele, „Tauschgeschäft“, Mr. X)
  • Die Großstadt neu und anders erfahren (Sinneserfahrungen, Ersatznatur, Lebensraum Stadt, Orientierung)
  • Perspektivenwechsel/ Rollentausch (als wohnungsloser Mensch,  Blinde *r, Rollifahrer *In)
  • Neue Stadt, neue Menschen (Randgruppen, fremde Lebenssituationen erforschen, interviewen, beobachten, kennen lernen)
  • Persönlichkeitsentwicklung in der Stadt (Rollen- und Identitätswechsel, „Aktion Trau Dich!“)
  • „Klassische EP- Szenarien: Abseilen, Orientierung, Geocaching)

Die Stadt bietet aber auch für junge Erwachsene und gar hartgesottene „Lebenskünstler“ viele Möglichkeiten, den eigenen Horizont zu erweitern.
Hier einige Anregungen und Beispiele aus der N.E.W.- Kiste. Achtung, diese Aktionen erfordern mitunter gute Vorbereitung und professionelle Begleitung sowie Nachbereitung.

Zunehmend sehen wir im City Bound aber auch das „Erschließen von Räumen“ als Thema. Grade Kinder und Jugendliche werden mehr und mehr aus den kommerzialisierten Kaufpassagen der Städte vertrieben. Öffentlicher Raum wird kommerzialisierter Raum. Menschen werden auf Ihre Kaufkraft reduziert. Die ursprüngliche Idee des Dorfplatzes an dem sich Menschen trafen und aufhielten soll wiederbelebt werden. Öffentlicher Raum wird zurückerobert. So verbirgt sich hinter Modulen wie Flashmobs, Guerilla Gärtnern und anderen auch die Idee des zivilen Ungehorsams.

Konkrete Aktionen City Bound
  • Aktion Trau Dich!
    Geh in die Stadt und begegne Deiner Angst!
  • Survival in der City
    Als wohnungsloser Mensch mit Schlafsack und den allernötigsten Dingen ausgerüstet verbringen die Teilnehmer*innen einen oder gar mehrere Tage als Obdachlose in der Stadt
  • Die Stadt ohne Geld
    Funktioniert prima auch mit Schulklassen. Hier stellen sich viele Jugendliche nach kurzer Zeit als wahre Organisationstalente. Die Aufgabe ist, ganz ohne Geld einen Tag in der Stadt zu verbringen, dabei nicht zu stehlen, sich aber dennoch das zu organisieren, was man bedarf (Essen, Trinken, kleiner Luxus…)
City Bound Freiburg
  • Theater, Theater…
    Kurz vorher eingeprobte Sequenzen (Ehestreit, Eskalation, Eifersuchtsdramen, Handgreiflichkeiten, Verfolgungsjagd, einmal einen bestimmten Menschen spielen
  • Tauschaktion
    Jede Kleingruppe erhält eine Büroklammer/ einen Apfel etc. Es geht darum den wertvollsten oder den größten Gegenstand durch fortwährendes Tauschen zu „erbeuten“
Citybound Orientierung in der Stadt

Weitere City Bound Anregungen:

  • Perspektivenwechsel, z.B. beim sogenannten „Rollitraining“
  • Blindessen/ Blind Kochen
    Generell ist das Erleben der Stadt als „Blinder Mensch“ (Augenverband, Sonnenbrille), geführt durch einen Partner*in ist ein sehr besonderes Erlebnis
  • Ausgesetzt
    Ausgerüstet nur mit Personalausweis und Notfallhandy werden die „KandidatInnen“ an verschiedenen Punkten in der Stadt ausgesetzt.
  • City Bound eignet sich auch prima für Hilfseinsätze und Soziales. Der schon von Kurt Hahn propagierte „Dienst am Nächsten“ lässt sich in der Stadt bestens umsetzen!
Zur Geschichte des City Bound

Historisch entstand die Idee des City Bound als Gegenkonzept zum bestehenden Outward Bound. Der Begriff Outward Bound kommt ursprünglich aus der Seefahrt und wurde für den Moment kurz vor dem Auslaufen benutzt. In der Erlebnispädagogik zu Kurt Hahns Zeiten wurde der Begriff als Synonym des Aufbruchs, meist zu Abenteuer und Expedition benutzt. Und diese Angebote fanden eben meist in der Natur statt.

Die Idee, Erlebnispädagogik auch für Kinder und Jugendliche in den wachsenden Großstädten zugänglich zu machen lag dann nur auf der Hand.

Für uns ist City Bound demnach eine Ergänzung zu den klassischen Angeboten der Erlebnispädagogik. Allerdings ist der Begriff „Erlebnispädagogik in künstlichen Welten“ für uns stimmiger. Denn er inkludiert auch die Klassenzimmer, Turnhallen und Stadtparks dieser Welt…

Erlebnispädagogik Schloss Salem
Zum Autor

 

Leif ist nunmehr offiziell über die Hälfte seines Lebens in der Erlebnispädagogik unterwegs. In der zweiten Hälfte der ersten Hälfte (Studium) durfte er mitunter leidvoll erfahren, dass es mehr Bücher als Zeit gibt. Daher und um dieses Verhältnis für die Nachwelt wieder zu ändern schreibt er hochambitioniert Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. Und hofft dass deren Essenz dennoch erhalten bleibt…

Leif Cornelissen, Diplom- und Erlebnispädagoge